Kulturhaus Kosmos in Zürich
,
Schweiz
Veröffentlicht am 29. Oktober 2019
Burkhard & Lüthi Architektur GmbH Architekturbüro + E2A Piet Eckert und Wim Eckert Architekten AG
Projektdaten
Basisdaten
Gebäudedaten nach SIA 416
Beschreibung
Der diskrete Charme der Gentrifizierung
Seit einem guten Jahr ergänzt das «Kulturhaus Kosmos» an der Europaallee die Vielfalt an kulturellen Angeboten in Zürich. Auf drei Etagen bündelt es sechs Arthouse-Kinosäle, ein Veranstaltungsforum, einen Buchsalon, ein Bistro inklusive Bars mit Klub zu einem grossen Paket.
Die Betreiber des Kosmos setzen neben dem normalen Kinogeschäft auf Festivaltauglichkeit bis hin zu gewinnbringenden Vermietungen für private Events.
Für die «beste Adresse für gesellschaftsrelevante Themen» versäumte man nicht, den so wichtigen Faktor Hipness zu berücksichtigen, der auch im benachbarten «25 Hours Hotel» tonangebend war.
Unsereins, die Babyboomer, waren noch stolz auf unser ausgelagertes Wohnzimmer in Format eines Programmkinos, davor oder danach sass man anderenorts im geliebten Café oder vertrauten Beiz. Neue Bücher stöberten wir im versteckten Buchladen mit bis zur Decke tapezierten Autorenportraits durch. Tempi passati!
An der Europaallee im Kreis 4 weht der frische Wind der Gentrifizierung. Nach beschaulichen Jahren der sich entwickelnden Quartiere folgten in Zürich immer mehr Paukenschläge mit grossflächigen und massiven Arealentwicklungen.
Das Einzugsgebiet ist schliesslich – neben dem Quartier und der Stadt – die sogenannte «Greater Zurich Area».
Ausgangspunkt für das Kosmos war die Arealentwicklung der bahnhofsnahen Europaallee mit der SBB als Grundstückseigentümerin. Im Baufeld H lieferten «E2A Architekten» aus Zürich die architektonische Grundstruktur für die bauliche Zweiteilung in «Kulturhaus Kosmos» und «25 Hours Hotel».
Hinter der Kosmos-Kultur AG stehen die Projekt-Initianten Bruno Deckert und der Filmemacher Samir. Bruno Deckert ist mit seinem Buchsalon »sphères», das Bar, Buch und Bühne zusammenbringt, bereits stadtbekannt. Das Konzept für den gesamten Innenausbau übergab die Kosmos-Kultur AG den Zürcher Architekten «Burkhard & Lüthi».
Dreh- und Angelpunkt des Kinokomplexes ist das Veranstaltungs-Forum, eine grosse Holztreppe mit Sitzstufen gepaart mit einem disponiblen Podium. Hinunter geht es zu den sechs Arthouse-Kinosälen, hinauf zum Buchsalon, der bestückt mit Bücherinseln und Bartheke Sitzmöglichkeiten anbietet, die zum Schmökern einladen.
Auf rund 4500 Quadratmetern sollte ein räumliches Kontinuum entstehen. Erklärtes Vorbild für die geplante Raumstruktur war das «Palais de Tokyo». Es wurde 1937 parallel zur Weltausstellung in Paris als Museum für Moderne Kunst konzipiert, Lacaton & Vassal haben es im Jahr 2000 zu einem experimentellen Kunsttempel und stylischem Ort transformiert. Lacaton & Vassals minimalistisches Prinzip der «No architecture», wie die Verwendung von kostengünstigen Materialien und ihr konsequentes «underdetailing» beeinflusste massgeblich den Innenausbau des Kosmos.
Die von «E2A Architekten» vorgegebene rohe Betonstruktur lies sich perfekt mit primären Oberflächen ohne Veredelung kombinieren: geschliffener Gussasphalt als Bodenbelag, Heraklit-Holzwolle für die Decken, Seekiefersperrholz für Wände und Sitzstufen. Einziges Hightech-Material und wichtiges Gestaltungselement sind die verwendeten textilen Vorhänge, die nicht nur der Raumteilung, sondern auch dem Schallschutz dienen; dieser wird durch den (schwer entflammbaren) Akustikstoff «Acoustic Divider Vario» gewährleistet. Wirksam wird der Geräuschpegel um circa 15 Dezibel reduziert. Die beiden äusseren Schichten bestehen aus einem Akustikstoff (Trevira CS), dazwischen liegt der «NoiseSilencer» aus einem beschichteten Molton.
Die «Kinoallee» im Untergeschoss, in konventionellen Multiplexkinos auch als «Rattengang» bekannt, wurde mit Raumnischen, Oberlichtern und einer weiteren Bartheke aufgelockert. Die sechs unterschiedlich grossen Kinosäle, ausgestattet mit dem neuen Tonformat «Atmos» wurden ganz in schwarz gehüllt; für den optimalen Sicht- und Sitzkomfort sorgen die goldfarbenen Sessel.
Vor oder nach dem Kinobesuch strömt man möglicherweise zur vierten (!) geschwungenen Bartheke im Zentrum des Erdgeschosses. Das Seekiefersperrholz wurde nach dem Dukta-Verfahren in feinen Rillen aufgefräst, um die Akustik im Raum zu verbessern. Hinterlegt mit Licht macht sie den Auftakt für den dahinter liegenden Klubraum, mit Aussicht auf die Bahngleise.
Bemerkenswert ist auch der Sternenhimmel, der mit der kosmos-spezifischen Leuchte «Mobile» durch alle Räume strahlt. Die filigrane, modulare Lichtstruktur trägt die LED-Lichtpunkte über Spiegelungen sogar bis in den Aussenraum.
Bleibt zu hoffen, dass dieser strahlende Kosmos die Kinolandschaft des Quartiers nicht nur konkurrenziert, sondern auch bereichert!
Text: Sibylle Hahner